Bei relativ großen Umfangsänderungen an einer Extremität bzw. konisch geformten Extremitäten sowie bei vertieften Gewebefalten soll in der Regel eine flachgestrickte Qualität verordnet werden, da bei bestimmten anatomischen Verhältnissen rundgestricktes Material nicht zur Versorgung geeignet ist. So können zum Beispiel bei schwerer chronischer venöser Insuffizienz, bei ausgeprägten Lymph- und Lipödemen sowie bei adipösen Patienten sehr große Umfangsänderungen bzw. vertieften Gewebefaltenentlang des Beins oder Arms vorliegen.
Aufgrund der Strickart weisen flachgestrickte MKS in der Regel eine höhere Stiffness aber auch eine höhere Biegesteifigkeit auf. Diese Eigenschaften sollten bei der Versorgung von Patienten mit Lymph- oder Lipödemen, bei schwerer chronischer venöser Insuffizienz (CVI), Adipositas aber auch bei Neuropathien und arterieller Verschlusskrankheit zur Vermeidung von Druckspitzen durch Einschnürungen genutzt werden.
(Quelle: Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK)AWMF-Registernummer: 037/005)
Bei der Auswahl und der Verordnung der Kompressionsmaterialien sollte neben dem erforderlichen Druck auch das am besten geeignete Material berücksichtigt werden. Die Wirkung der Kompressionsversorgung hängt sowohl vom Druck als auch von den Materialeigenschaften ab.
Medizinische Kompressionsstrümpfe werden in verschiedenen Strickungen gefertigt:
Flachgestrickt mit Naht
Maschinengeformt, mit mindestens je einem verstrickten und einem eingelegten elastischen Faden in jeder zweiten Maschenreihe. Diese Strümpfe können sehr passgenau mit großer Kompressionsstärke hergestellt werden. Handelsübliche flachgestrickte MKS haben in der Regel eine höhere Stiffness, aber auch eine höhere Biegesteifigkeit, die das Hineinrutschen in Gewebefalten erschwert. Diese Eigenschaften (höhere Stiffness + Biegesteifigkeit + erschwertes Reinrutschen in Falten) sind beim Rundstrickverfahren nicht gegeben. Im Flachstrickverfahren können Maschen individuell auf- oder abgenommen werden. Daher ist eine Anpassung an außergewöhnliche Beinumfänge möglich, z. B. bei fortgeschrittenen Lymphödemen. Der Strumpf wird an einem Stück gestrickt und zusammengenäht, so dass an der Beinrückseite eine Naht entsteht.
Ein- und doppelflächig rundgestrickt
Nahtlos, maschinengeformt, mit mindestens je einem verstrickten und einem eingelegten elastischen Faden in jeder zweiten Maschenreihe. Diese MKS werden mit einer bestimmten Anzahl an Nadeln auf einem Strickzylinder produziert. Dabei können weder zusätzliche Maschen auf- noch abgenommen werden. Eine Anpassung an die Beinform ist lediglich durch Änderung der Maschengröße (feste oder lockere Strickung) bzw. der Fadenspannung möglich. Daher sind dem rundgestrickten MKS bei der Formgebung Grenzen gesetzt. So können Extremitäten mit sehr kleinen Umfängen und extremen Umfangsänderungen sowie mit vertieften Gewebefalten mit rundgestrickten Strümpfen nicht versorgt werden.
(Quelle: Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK)AWMF-Registernummer: 037/005)
Wegen der umgekehrten Proportionalität des Andrucks zum Radius soll in kritischen Fällen (z. B. Kachexie), bei kleinen Radien (z. B. Knöchelregion) sowie bei außergewöhnlichen Änderungen der Beinumfänge (z. B. Bisgaard ́sche Kulissen, Achillessehne) eine Auf- und Abpolsterung von Umfangdifferenzen unter der Kompressionsversorgung erfolgen, um einerseits die Wirksamkeit zu steigern und andererseits einer Druckschädigung vorzubeugen.
Stiffness:
Für die klinische und hämodynamische Wirkung der Kompressionsversorgung ist es aber auch entscheidend, in welchem Umfang das Kompressionsmittel dem zunehmenden Umfang bei Bewegung, bei der Ödembildung oder beim Wechsel von liegender zu stehender Körperposition widersteht und damit zu einer Drucksteigerung unter der Kompressionsversorgung beiträgt.
Diese Eigenschaft des Kompressionsmaterials bezeichnet man als Stiffness. Unter sehr dehnbaren Materialien kommt es dabei nur zu einem geringen Druckanstieg, während dieser unter wenig dehnbaren Materialien sehr groß sein kann. Als Static Stiffness Index (SSI) wird der Druckanstieg unter dem Kompressionsmittel beim Wechsel von liegender zu stehender Körperposition bezeichnet4. Bei gleichem Andruck kann der SSI bei verschiedenen Materialien stark variieren.
(Quelle: Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK)AWMF-Registernummer: 037/005)
Die medizinische Kompressionstherapie soll integraler Bestandteil der Therapie phlebologischer Krankheitsbilder sein. Sie kann mit medizinischen Kompressionsstrümpfen, phlebologischen Kompressionsverbänden oder medizinische adaptive Kompressionssysteme erfolgen. Voraussetzung sind spezielle Kenntnisse und Erfahrungen sowohl hinsichtlich Diagnose, Differentialdiagnose, Risiken und Kontraindikationen als auch in der Verordnung zeitgemäßer Kompressionsmaterialien und der Technik des Anlegens.
Definition
Die Therapie mit medizinischen Kompressionsstrümpfen oder mit phlebologischen Kompressionsverbänden ist in der Behandlung phlebologischer und lymphologischer Erkrankungen der Beine und Arme unverzichtbar. Der medizinische Kompressionsstrumpf besteht aus einem strumpfförmigen elastischen Gestrick, der phlebologische Kompressionsverband erreicht seine Wirksamkeit durch das Anlegen von elastischen und / oder unelastischen Binden. Es stehen auch fertige Bindensysteme, sogenannte Mehrkomponentensysteme, medizinische adaptive Kompressionssystem sowie mehrlagige Strumpfsysteme, sogenannte Ulkus-Strumpfsysteme, für die Therapie des Ulcus cruris zur Verfügung.
Medizinische Kompressionsstrümpfe und phlebologische Kompressionsverbände haben elastische Eigenschaften, so dass ein kontinuierlicher definierter Druck auf die Extremität ausgeübt wird. Sie steigern den venösen und lymphatischen Abstrom und verbessern die venöse Pumpfunktion. Während phlebologische Kompressionsverbände (mit Binden, Bindensystemen) oder medizinische adaptive Kompressionssysteme üblicherweise in der Entstauungsphase zum Einsatz kommen, werden medizinische Kompressionsstrümpfe oder Ulkus-Strumpfsysteme in der längerfristigen Therapie- und Erhaltungsphase und medizinische Kompressionsstrümpfe in der Prävention genutzt.
Der phlebologische Kompressionsverband kann als Wechsel- wie auch als Dauerverband konzipiert werden. Ein Wechselverband wird täglich neu angelegt und im optimalen Falle auch über Nacht belassen. Demgegenüber verbleibt der Dauerverband, z. B. mit Mehrkomponentensytemen, über einen längeren Zeitraum, meist über mehrere Tage, auch über Nacht. Der phlebologische Kompressionsverband schließt in der Regel Fuß- und Sprunggelenk ein und reicht entweder bis zum Fibulaköpfchen oder bis zum proximalen Oberschenkel.
Zu unterscheiden ist zwischen den einzelnen Binden und dem Verband. Durch das übereinander Wickeln von Binden in mehreren Schichten sowie bei Verwendung unterschiedlicher Materialien ändern sich die elastischen Eigenschaften des resultierenden Gesamtverbandes und damit auch die Stiffness. Demnach kann ein phlebologischer Kompressionsverband, der aus mehreren Lagen von einzelnen elastischen Binden besteht, am Bein letztendlich die Eigenschaften eines unelastischen Verbandes annehmen. Analoges gilt für die adhäsiven und kohäsiven Binden. Allerdings ist ein phlebologischer Kompressionsverband, der aus mehreren Komponenten oder Lagen besteht, förderlicher für die Abheilung als einer mit nur einer Komponente oder Lage 1- 3. Medizinische adaptive Kompressionssysteme werden auch als Klett- oder Wrap-Verbände bezeichnet. Sie bestehen aus meist wenig elastischen Materialien und werden mit Klettverschlüssen eingestellt oder Ähnlichem, z. B. Häkchen, befestigt. Angelegt weisen die Systeme eine meist hohe Stiffness auf. Sie können aus Waden-, Oberschenkel- und Fußkomponenten sowie Arm- und Handkomponenten bestehen. Medizinische adaptive Kompressionssysteme können ggf. vom Patienten, wenn dieser noch ausreichend beweglich ist, selbständig angelegt werden, aber auch für Therapeuten, Angehörige oder Pflegepersonal wird die Anlage durch das Klettsystem erleichtert. Dies fördert die Autonomie des Patienten und unterstützt somit seine Adhärenz.
Die Anwendung der medizinischen Kompressionstherapie erfordert spezielle Kenntnisse und Erfahrungen sowohl hinsichtlich Diagnose, Differentialdiagnose, Risiken und Kontraindikationen als auch in der Verordnung zeitgemäßer Kompressionsmaterialien und der Technik des Anlegens.
Bei der Auswahl des Kompressionsmaterials spielt auch das Alter der Patienten und der Zustand der Haut, der Muskulatur und des Bindegewebes eine Rolle. Das Gewebe bei geriatrischen Patienten ist häufig sehr empfindlich so dass Material und Druck angepasst werden müssen.
(Quelle: Leitlinie: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK)AWMF-Registernummer: 037/005)
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