Die Wundspülung: Ein essenzieller Schritt in der Wundversorgung 

Quelle: Serag & Wiessner

Die Wundspülung ist ein grundlegender und oft unterschätzter Bestandteil einer effektiven Wundversorgung. Sie dient dazu, eine Wunde von Verunreinigungen, Fremdkörpern, abgestorbenem Gewebe, Wundbelägen (Fibrin, Biofilm), überschüssigem Exsudat und Keimen zu befreien. Eine gründliche Wundreinigung ist unerlässlich, um Infektionen vorzubeugen, die Heilung zu beschleunigen und die optimale Wirkung nachfolgender Wundauflagen zu gewährleisten. 

Warum ist Wundspülung so wichtig? 

  • Infektionsprophylaxe: Die Entfernung von Keimen und Schmutz aus der Wunde reduziert das Risiko von Infektionen erheblich. 
  • Förderung der Wundheilung: Saubere Wunden heilen schneller und komplikationsärmer ab. Wundbeläge und Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) können die Bildung neuen Gewebes behindern. 
  • Beurteilung der Wunde: Erst nach einer gründlichen Spülung ist eine genaue Beurteilung der Wundsituation, des Wundgrundes und des umliegenden Gewebes möglich. Dies ist besonders wichtig bei der Anwendung von Hydrokolloidverbänden oder Hydrogelen, da deren gebildetes Gel leicht mit Eiter verwechselt werden kann. 
  • Optimierung der Wirkung von Wundauflagen: Viele moderne Wundauflagen entfalten ihre volle Wirkung nur auf einem sauberen Wundgrund. 

Geeignete Spülflüssigkeiten 

Die Wahl der richtigen Spülflüssigkeit ist entscheidend. Sie sollte bestimmte Kriterien erfüllen, um die Wunde nicht zu schädigen und die Heilung nicht zu beeinträchtigen: 

  • Sterilität: Die Spüllösung muss steril sein, um keine zusätzlichen Keime in die Wunde einzubringen. 
  • Farblos und geruchlos: Dies erleichtert die Beurteilung der Wunde. 
  • Hypoallergen: Um Reizungen oder allergische Reaktionen zu vermeiden. 
  • Nicht resorbierbar: Die Lösung sollte nicht vom Körper aufgenommen werden. 
  • Erwärmbar: Eine auf Körpertemperatur erwärmte Spüllösung ist für den Patienten angenehmer, reduziert Schmerzen und beeinflusst die Wundheilung nicht negativ. 
  • Atraumatisch: Der Spüldruck sollte ausreichend sein, um Verunreinigungen zu entfernen, aber nicht so stark, dass er das empfindliche Wundgewebe verletzt. 

Gängige Spüllösungen: 

  • Isotonische Kochsalzlösung (NaCl 0,9%): Eine weit verbreitete und gut verträgliche Lösung zur mechanischen Reinigung. 
  • Ringerlösung: Ähnlich der Kochsalzlösung, enthält aber zusätzlich Kalium- und Kalzium-Ionen, die das Risiko von Elektrolytverschiebungen im Wundbereich verringern können. Auch zum dauerhaften Feuchthalten von Wunden geeignet. 
  • Polyhexanid-haltige Wundspüllösungen (z.B. Prontosan® , Lavanid® ): Diese Lösungen enthalten antimikrobielle Substanzen und schützen vor Keimwachstum. Sie werden häufig bei infizierten oder chronischen Wunden eingesetzt und sind in der Regel gut gewebeverträglich. 
  • Hypochlorit-Lösungen (z.B. Lavanox® ,Microdacyn® ): Diese Lösungen basieren auf Elektrolyse von Kochsalz und Wasser und besitzen ebenfalls eine breite antimikrobielle Wirkung ohne bekannte Resistenzen. 

Nicht mehr zeitgemäße oder ungeeignete Substanzen für die Wundspülung: 

  • Chlorhexidin 
  • Farbstoffe (z.B. Eosin, Brillantgrün, Fuchsin, Methylviolett) 
  • Glucoselösung 5% oder 10% 
  • Kaliumpermanganat 
  • Kochsalzlösung 3% oder 10% 
  • Wasserstoffperoxid 

Diese Substanzen können das Wundgewebe schädigen, die Wundheilung verzögern oder allergische Reaktionen hervorrufen. 

Praktisches Vorgehen bei der Wundspülung 

  1. Vorbereitung: Hygienische Händedesinfektion, Anlegen steriler Handschuhe. Bereitstellung der benötigten Materialien (Spüllösung, Kompressen, Tupfer, Abwurfbehälter). 
  1. Erwärmung der Spüllösung: Falls möglich, die Spüllösung vor der Anwendung auf Körpertemperatur erwärmen. 
  1. Applikation: 
  • Die Spüllösung kann direkt aus der Flasche auf die Wunde gegeben werden, idealerweise mit leichtem Druck, um Verunreinigungen auszuschwemmen. Bei tiefen Wunden oder Fisteln kann ein kurzer Katheter verwendet werden. 
  • Alternativ kann die Lösung auch auf sterile Kompressen aufgetragen und die Wunde damit gereinigt werden. Dabei immer von der saubersten zur unreinsten Stelle vorgehen. 
  • Der Druck sollte ausreichend sein, um die Wunde gründlich zu reinigen, aber nicht zu stark, um das Wundgewebe zu reizen oder zu beschädigen. 
  1. Entfernung von Wundbelägen: Je nach Art und Menge des Wundbelags können zusätzlich mechanische Hilfsmittel (z.B. Tupfer, spezielle Wundreinigungsinstrumente) eingesetzt werden, immer unter strenger Beachtung der Sterilität. 
  1. Abtrocknen: Nach der Spülung die Wundumgebung vorsichtig mit sterilen Kompressen abtupfen. Die Wunde selbst sollte feucht bleiben, um ein optimales Wundmilieu zu gewährleisten. 
  1. Weitere Wundversorgung: Nach der Reinigung kann die Wunde mit einer geeigneten Wundauflage versorgt werden. 

Besondere Aspekte 

  • Chronische Wunden: Bei chronischen Wunden ist die Wundspülung oft ein wiederkehrender und entscheidender Schritt im Wundmanagement, um Biofilme und Beläge zu entfernen. 
  • Ambulanter Bereich: Im ambulanten Pflegebereich sind besondere Kenntnisse und eine sorgfältige Durchführung der Wundspülung notwendig, um optimale Ergebnisse zu erzielen und Infektionen zu vermeiden. 
  • Kostenübernahme: Wundspüllösungen gehören in der Regel nicht zur Kassenleistung und sind somit meist nicht erstattungsfähig. 

Fazit 

Die Wundspülung ist ein unverzichtbarer Schritt in der modernen Wundversorgung. Durch die Wahl der richtigen Spüllösung und eine sachgerechte Anwendung können Infektionen effektiv verhindert, die Wundheilung optimal unterstützt und der Patientenkomfort verbessert werden. Bei Unsicherheiten sollte stets ärztlicher oder fachkundiger Rat eingeholt werden. 

Zur Frage, ob eine Wundreinigung mit Trinkwasser erfolgen kann, nimmt die Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention in der Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“ Stellung (www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene >Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene). In Kapitel 6.4.1 Wundverbände wird ausgeführt: „Jede Spülflüssigkeit muss steril sein. Leitungswasser ist nicht frei von Mikroorganismen“.

Eine Kernaussage ist: „Wenn Wasser zur Wundreinigung genutzt wird, muss es dem Standard entsprechen, dem Arzneimittel und Medizinprodukte zur Anwendung an der Wunde genügen müssen… Da unmittelbar aus dem Hahn entnommenes Trinkwasser diesen Standards nicht entsprechen kann, ist seine Anwendung zur Wundspülung nur im Notfall vertretbar. Bei Verwendung endständiger Sterilfilter am Wasserauslass kann Trinkwasser jedoch die nötige mikrobiologische Reinheit erreichen.

Hinsichtlich der Haltbarkeit der für Spülungen verwendeten Lösungen müssen die Angaben der Hersteller beachtet werden.

Zum Spülen von Wunden dürfen nur sterile Lösungen verwendet werden.1

  1. www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Krankenhaushygiene/Infektionshygiene-A-Z/W/Wundreinigung/wundreinigung-inhalt.html ↩︎